Die Prospect Theory, im Deutschen auch Neue Erwartungstheorie genannt, wurde 1979 von Daniel Kahneman und Amos Tversky als eine psychologisch realistischere Alternative zu der Erwartungsnutzentheorie vorgestellt. [1] Sie erlaubt die Beschreibung der Entscheidungsfindung in Situationen der Unsicherheit. Dies sind insbesondere Entscheidungen, bei denen unwägbare Risiken bzw. die Eintrittswahrscheinlichkeiten der künftigen Umweltzustände unbekannt sind (Ambiguität - Zwiespältigkeit). Anwendung findet die prospect theory (urspr. lottery theory) beispielsweise in der ökonomischen Entscheidungstheorie. Sie ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Verhaltensökonomik (engl. Behavioural Economics).
Seit ca. 1940 gingen wirtschaftswissenschaftliche Theorien vorwiegend von einem rationalen Menschen aus, der seine Entscheidungen auf der Grundlage von Informationen so trifft, dass Kosten minimiert und der Nutzen für ihn maximiert wird (Homo oeconomicus). Der Economist verwendet die Metapher des „Mr Spock“ [2][3] als absolut logisch denkenden Akteur. Statistische Untersuchungen belegen diese Betrachtung in einigen Bereichen, während andere sich der Erklärung entziehen.
Die Prospect Theory ersetzt dieses strikt rationale Modell durch ein Modell, in dem die Rationalität unter anderem durch Kognitive Verzerrungen (s.u.) modifiziert wird. Gegenüber anderen Modellen der Verhaltensökonomik hat es den Vorteil, dass man dieses Verhalten mathematisch modellieren kann.
Von der Empirie ausgehend, beschreibt die Theorie, wie Individuen erwartete Gewinne bzw. Verluste bewerten. Entscheidungsprozesse werden in zwei Stufen gegliedert: editing (etwa: Bearbeitung) und evaluation (Bewertung). Zunächst werden die möglichen Resultate heuristisch geordnet: Ähnlichkeiten und Referenzpunkte werden festgelegt, so dass niedrige Ergebnisse als Verluste, höhere als Gewinne angesehen werden. Danach werden, ausgehend von den potentiellen Resultaten und ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten, diesen Punkten Werte (Nutzen) zugeordnet. Die Alternative mit dem höchsten Nutzen wird dann gewählt.
Die einfachste Form der Formel, die Kahneman und Tversky für die Bewertungsphase angeben haben, ist eine so genannte Wertfunktion, die einem Resultat einen Wert bzw. Nutzen zuordnet. Sie schneidet den Referenzpunkt (0;0), ist S-förmig und gewichtet, wie ihre Asymmetrie nahelegt, bei gleicher Varianz in absoluten Werten, Verluste stärker als Gewinne (loss aversion). Im Gegensatz zur Erweiterten Nutzentheorie werden nur Verluste und Gewinne, nicht aber absolute Beträge gemessen. Die Funktion wird Wahrscheinlichkeits-Gewichtungsfunktion genannt und drückt aus, dass Individuen unwahrscheinliche Ergebnisse überbewerten und mittel- bis hochwahrscheinliche Ergebnisse unterbewerten.
In der Theorie wird die These vertreten, dass häufig auftretende kognitive Verzerrungen (biases) das Verhalten unter Unsicherheit beeinflussen. Insbesondere sollen Menschen stärker durch Verluste als durch Gewinne motiviert werden und demnach mehr Energie in die Vermeidung von Verlusten als in die Erzielung von Gewinnen investieren. [1]
Die Theorie basiert auf den experimentellen Arbeiten von Kahneman und Tversky. Kahneman wurde 2002 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet, Tversky war zu diesem Zeitpunkt schon verstorben. [1] Sie deckten in ihren psychologischen Experimenten die folgenden Wahrnehmungsverzerrungen und Ursachen auf: [4]
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